Carta de Erna Brandenberger a Francisco Ayala (06/02/1978)
Zürich,
6. Februar 1978
Sr.
D. Francisco Ayala
Marqués
de Cubas, 6
Madrid
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Lieber
Herr Ayala,
zwar
weiss ich nicht, ob Sie noch in Madrid sind, aber früher oder später werden Sie
diesen Brief wohl bekommen, und dringend ist er keineswegs.
Ich
glaube, ich habe Ihnen schon mitgeteilt, dass der Redaktor der INITIATIVE
Gefallen an Ihrem Artikel "Homo homini lupus" gefunden hat. Wenn ich
mich nicht täusche, wird er in der nächsten Nummer erscheinen, die für Ende
April vorgesehen ist. Ich freue mich darüber. Eben habe ich einen Brief vom
Redaktor bekommen, worin er mir Themen zukünftiger Nummern mitteilt, wofür er
noch Beiträge brauchen könnte, nämlich:
- Die
elternlose Generation (die unsichtbaren Eltern; die unvollkommene Familie; das
Umgehen des Vater-Sohn-Konflikts; Leitbilder ausserhalb der Familie)
- Verteidigung
der Elite.
Zum
Thema "Verteidigung der Elite" möchte er eine Leseprobe aus Ortegas
"Rebelión de las masas" abdrucken (Ortega ist ja der einzige bekannte
spanische Autor in Deutschland). Sicher gibt es aber geeignetere - und in
Deutschland nicht bekannte - Spanische Texte zu diesem Thema. Ich habe auch an
Madariagas "Ingleses, frnaceses [sic], españoles" gedacht, wo
er über den Unterschied zwischen "leaders, élites, minorías" redet.
Aus
Ihrer Sicht als Soziologe und aufgrund Ihrer Amerikaerfahrung interessiert Sie
vielleicht "die elternlose Generation"? Kennen Sie vielleicht
jemanden, der über Familienprobleme und Leitbilder ausserhalb der Familie
schreibt?
Ich
denke immer noch mit grosser Befriedigung an meine letzte Spanienreise mit den
vielen Erlebnissen und historischen Augenblicken. Gibt es viel Neues seither?
oder beherrscht die schwierige Wirtschaftslage die Diskussion? Bei uns hört man
nicht viel. Eine Freundin hat mir die Kopie des Schreibens von Camilo José Cela
"en el segundo año de la Gloria" geschickt; es ist ja schon ein
starkes Stück! Und offenbar tut das seiner Berühmtheit keinerlei Abbruch!
Spanien ist ein wunderliches Land voller Ueberraschungen für uns Germanen...
Eben
fällt mir noch etwas ein: vor kurzem habe ich einen ganz enttäuschten Brief von
Ramón Nieto bekommen (er ist nun in Paris als 'Directeur de publications de
l'Unesco'). Seix Barral könne seinen neuen Roman "Un libro para
Clara" nicht publizieren. Gründe gibt er mir in seinem Brief keine an, aber
er fürchtet, von Paris aus habe er zu wenige Möglichkeiten, mit andern Verlagen
zu verhandeln. Und er habe gar keine Lust, an seinem neuen Roman zu arbeiten,
den er dieses Jahr schreiben wollte. Können Sie ihm vielleicht von Madrid aus
einen Weg öffnen? Er scheint mir ziemlich niedergeschlagen.
Ich
hoffe sehr, es gehe Ihnen immer noch so gut wie im letzten Herbst und Sie seien
immer noch gleich unternehmungslustig.
Es
grüsst Sie herzlich